Warum viele Microsoft Purview-Projekte stecken bleiben – und was wirklich fehlt
Viele Unternehmen starten Information Protection mit Microsoft Purview, rollen Labels aus, aktivieren Auto-Klassifizierung oder bauen DLP-Policies. Aber schon nach ein paar Wochen herrscht Stillstand. Der Grund liegt selten in der Technik – sondern fast immer in der fehlenden inhaltlichen Vorbereitung. In diesem Beitrag zeige ich, warum das so ist – und warum schlechte Klassifizierung nicht nur ein Problem, sondern ein Risiko für Folgeprojekte ist.
1. Klassifizierung wird als Belastung wahrgenommen – nicht als Lösung
In der Theorie klingt es einfach: Sensitivity Labels sorgen für Schutz, Klassifizierung automatisiert Prozesse, alles wird sicherer. In der Praxis empfinden viele Mitarbeitende die Labels eher als störend:
- zusätzliche Klicks im Arbeitsalltag
- Unsicherheit, welches Label wann passt
- kaum verständlicher Mehrwert
Wenn das Ganze dann ohne Schulung oder Beteiligung durch IT oder Legal „ausgerollt“ wird, ist der Frust vorprogrammiert. Klassifizierung wird ignoriert oder umgangen – und damit ist das gesamte Schutzkonzept wertlos.

2. Labels ohne durchdachtes Konzept führen direkt ins Chaos
Es ist keine gute Idee, „einfach mal mit einem Label wie Intern zu starten“ und später zu verschlüsseln. Genau das passiert aber in vielen Projekten – mit fatalen Folgen:
- Unzählige Dateien mit „Intern“-Label sind bereits extern geteilt worden
- Rückwirkende Änderungen sind kaum möglich
- User verlieren Vertrauen in das System
Noch schlimmer: Wenn Labels später umbenannt oder mit neuen Regeln versehen werden, entsteht Unsicherheit – technisch, organisatorisch und rechtlich.

3. Data Classification ist das Fundament – und darf nicht unterschätzt werden
Wer Microsoft Purview einführt, kommt um ein sauberes Klassifizierungskonzept nicht herum.
Denn: DLP, Insider Risk Management, Retention Policies, Auditing – alles greift am Ende auf die Sensitivität eines Dokuments zurück.
Wenn hier geschlampt wird, potenzieren sich die Probleme in allen Folgeprojekten:
- Falsche oder fehlende Labels führen zu Lücken in DLP
- Retention-Regeln greifen nicht korrekt
- Audit-Protokolle verlieren Kontext
- KI-gestützte Systeme wie Copilot können sensible Inhalte falsch behandeln
Wer also denkt, Klassifizierung sei nur ein optionales Add-on, verbaut sich langfristig den Erfolg der gesamten Compliance-Strategie.
4. Technik ist selten das Problem – die Organisation schon eher
Natürlich gibt es technische Fallstricke – und die sollte man nicht unterschätzen. Ein Beispiel:
Wenn ich ein Dokument in meinem eigenen OneDrive mit jemandem teile und diese Person labelt das Dokument, so dass ich keine Rechte mehr habe, bin ich theoretisch von meinen eigenen Daten ausgeschlossen.
Klingt absurd – passiert aber. Doch solche Themen lassen sich technisch absichern, wenn vorher über Rechtekonzepte und Labelwirkungen nachgedacht wurde.
Wichtiger ist: die technische Plattform greift nur dann, wenn die Organisation strukturiert und abgestimmt handelt. Ohne Rollenzuweisung, ohne Kommunikation, ohne saubere Konzepte bleibt Purview ein Papiertiger.
Fazit – Klassifizierung ist nicht „der erste Schritt“ – sie ist das Fundament
Information Protection ist kein Tool, sondern ein Sicherheitsversprechen an die Mitarbeitenden, an die Kundinnen und Kunden, an Regulierungsbehörden.
Wer sich hier keine Zeit für Konzeption nimmt, verspielt Vertrauen – und riskiert Folgeprojekte, die auf einem unsauberen Fundament stehen.
Purview kann viel – aber nur, wenn die Basis stimmt.


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